Die COVID-19-Pandemie ist eine globale Krise, die Regierungen herausfordert, Gesundheitssysteme überfordert, die Wirtschaft erschüttert und das Leben der Menschen auf den Kopf stellt. Auch für Verbraucher*innen und den Handel hat sie eine neue Realität gebracht. Einige der Veränderungen sehen wir im Verbraucherverhalten: Wie die Menschen kaufen, was sie kaufen und wo sie es kaufen. Kommt jetzt eine Neuerfindung des stationären Einzelhandels? Wie reagiert der Einzelhandel auf die geänderten Gewohnheiten der Verbraucher*innen?

Neuerfindung des stationären Einzelhandels – Verbraucherumfrage von McKinsey

Um als Einzelhändler nun auf die “neue Normalität” zu reagieren und Prioritäten neu zu setzen hat Periscope von McKinsey mehr als 2.500 Verbraucher*innen in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland befragt. Es ging darum zu verstehen, wie sich das Verbraucherverhalten verändert. Mehrere Kernthemen sind bei den Verbraucher*innen deutlich geworden: Flucht in den Online- und Omnichannel, Abkehr von der ursprünglichen Loyalität und eine neue Bequemlichkeit unterstützt durch innovative Instore-Technologie und Omnichannel.

Verhalten der Verbraucher*innen hat sich geändert

Während der Corona-Krise änderten die Verbraucher*innen ihre Kaufentscheidungen. In den vier untersuchten Ländern gaben 40 Prozent der Befragten an, dass sie neue Marken ausprobierten oder bei einem anderen Einzelhändler einkauften. Besonders häufig war dies in den USA der Fall. Dort nähen 46 Prozent der Verbraucher*innen einen Wechsel vor.

Änderung des Einkaufsverhaltens während der Corona-Krise

Änderung des Einkaufsverhaltens während der Corona-Krise (Quelle: Retail reimagined: The new era for customer experience, Periscope by McKinsey 2020)

“Verantwortungsvolle” Einzelhändler werden eher nachgefragt

Die Käufer wurden auch von Marken oder Einzelhändlern angezogen, die ihre Mitarbeiter während der Pandemie unterstützten. Dies erfolgte zum Beispiel über eine Erhöhung der Löhne, zusätzlichen Krankheitsurlaub oder Bezahlung von Lohnausfall. In Deutschland und den USA wechselten die Verbraucher auch zu Marken und Einzelhändlern, die alternative Einkaufsmöglichkeiten anboten, wie Online-Einkauf oder Bestellung und Abholung.

Positive Beispiele sind hier das nordamerikanische Bekleidungsunternehmen Lululemon und der Lebensmittelhersteller Hy-Vee aus dem Mittleren Westen.

Gründe für Veränderung des Einkaufsverhaltens

Gründe für die Änderung des Einkaufsverhaltens während der Corona-Krise (Quelle: Retail reimagined: The new era for customer experience, Periscope by McKinsey 2020)

Gestiegene Erwartungen an Online- und Omnichannel-Möglichkeiten

Während der Corona-Pandemie stieg der Online-Handel überdurchschnittlich stark an. Und zwar in den USA von März bis Mitte April um mehr als 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Darüber hinaus beobachtete McKinsey in allen vier Ländern in mehreren Einkaufskategorien eine höhere Nachfrage. Besonders hervorzuheben sind Bekleidung (USA, UK), Kinderartikel (USA, UK, DE), Schönheitspflege (USA) und Lebensmittel (USA). Auch wurden im Rahmen der Krise die kostenlose und schnelle Lieferung (ein bis zwei Tage) und unkompliziert Rückgabe von den Kund*innen nachgefragt.

Faktoren für einen positiven Online-Einkauf

Faktoren für einen positiven Online-Einkauf (Quelle: Retail reimagined: The new era for customer experience, Periscope by McKinsey 2020)

Zusätzliche Online-Eigenschaften von Kund*innen honoriert

Zusätzlich honoriert wurden eine Reihe anderer Funktionalitäten im Online-Handel: Informative Produktbeschreibungen und -bilder, besonders in der Zeit, in der die Kund*innen die Produkte nicht ansehen, fühlen oder testen konnten. Dieses Angebot zählte in allen untersuchten Ländern zu den drei wichtigsten Faktoren für ein zufriedenstellendes Online-Erlebnis.

Zusätzliche Faktoren für einen positiven Online-Einkauf

Zusätzliche Faktoren für einen positiven Online-Einkauf (Quelle: Retail reimagined: The new era for customer experience, Periscope by McKinsey 2020)

Sicherheit und Bequemlichkeit im stationären Einzelhandel

Nach der Wiedereröffnung der stationären Geschäfte besitzen viele Kund*innen immer noch Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Hygiene. Mindestens 50 Prozent der Kund*innen wünschen sich, dass der Einzelhandel Maßnahmen umsetzt, die zur Sicherheit der Kund*innen und Mitarbeiter*innen beitragen. Dazu gehören zum Beispiel eine Plexiglas-Scheibe an der Kasse, die Verwendung von Masken und die Verfügbarkeit von Handdesinfektionsmitteln.

Auf das Einkaufen nach Wiedereröffnung der Geschäfte im stationären Einzelhandel wurde bereits in den Beiträgen “Social Shopping statt Social Distancing” und “Einkaufen in der Post-Corona-Zeit – Abstand ist der neue Alltag” eingegangen.

Orientierung im stationären Einzelhandel

Darüber hinaus ist es für die Kund*innen im Geschäft wichtig, dass sie das finden, was sie suchen. Organisierte und leicht zu navigierende Geschäfte sind attraktiver. Denn viele Menschen versuchen, so wenig Zeit wie möglich mit anderen Menschen in öffentlichen Räumen zu verbringen. Die Bedeutung dieses Aspekts stieg in allen Ländern im Juni im Vergleich zum März um 7 bis 14 Prozent.

Kundenerwartungen an das stationäre Einkaufen

Kundenerwartungen an das stationäre Einkaufen (Quelle: Retail reimagined: The new era for customer experience, Periscope by McKinsey 2020)

Kontaktloses Bezahlen im Aufwind

Noch bedeutender ist auch die Möglichkeit, bargeldlos zu bezahlen und sich selbst auszuchecken. Die Attraktivität dieser kontaktlosen Einkaufsmöglichkeit stieg in jedem Land zwischen 2 und 12 Prozent. in Großbritannien zeigte sich hier der höchste Anstieg.

In mindestens einer Hinsicht haben die Geschäfte immer noch einen Vorsprung gegenüber dem Online-Kauf. Die Verbraucher in allen vier Ländern bewerteten soziale Interaktionen mit einem hilfsbereiten und sachkundigen Personal als sehr hoch. Dies ist eine der Top-Drei-Funktionen beim Stöbern und Einkaufen in den Geschäften. In den USA stieg ihre Bedeutung um 10 Prozent für den Check-out und 6 Prozent für das Surfen nach der Krise.

Kundenerwartungen an den stationären Einkauf

Kundenerwartungen an den stationären Einkauf (Quelle: Retail reimagined: The new era for customer experience, Periscope by McKinsey 2020)

Innovative Instore-Technologien sind gefragt

Zudem fordern die Kund*innen im stationären Einzelhandel innovative Instore-Technologien. Diese sollen ein neues Maß an Bequemlichkeit, persönliches Erlebnis und eine stärkere Integration der Offline- und Online-Umgebung bieten.

Dabei umfasst diese Integration umfasst Technologien wie kontaktlose Zahlungssysteme und mobile Zahlungsmöglichkeiten. Weiterhin gehören dazu digitale Bildschirme, die den Käufern in den Geschäften bestimmte Funktionen des Online-Einkaufs bieten. Und Augmented-Reality-Systeme (AR-Systeme) zum Anprobieren von Kleidung oder Testen von Artikeln. Ein Beispiel für den virtuellen und digitalen Einkauf findet sich in dem Beitrag “Virtuell und digital – Ersatz für den Erlebniseinkauf“.

Erwartete innovative Instore-Technologien

Erwartete innovative Instore-Technologien (Quelle: Retail reimagined: The new era for customer experience, Periscope by McKinsey 2020)

Click-and-Collect wird auch in Zukunft immer attraktiver

Darüber hinaus gehören dazu auch mobile Vorbestellungen. Die Möglichkeiten, digital zu bestellen und dann anschließend im Geschäft oder direkt vor dem Geschäft abzuholen (Click-and-Collect) wurde während der Corona-Krise noch attraktiver.

Digitales Surfen am Bildschirm

Kioske oder Apps, die es den Kund*innen ermöglichen, Produkte oder Kategorien einfach zu durchsuchen, oder die mit Navigationstools ausgestattet sind, die den Käufern helfen, sich schnell durch das Geschäft zu bewegen, gehören ebenfalls zu den Technologien, die von den Käufern am meisten beachtet oder genutzt werden.

Die Realität sieht anders aus

Leider sieht die Realität anders aus. Viele Einzelhändler sind noch sehr weit von diesem Ziel entfernt. Im ersten Durchlauf der Umfrage gaben mehr als 35 Prozent der Befragten an, dass sie keine der Technologien im Geschäft vorgefunden haben.

Neuerfindung des stationären Einzelhandels – Wiederbeleben des Einkaufs-Erlebnisses

Aktuell haben die meisten Geschäfte wieder geöffnet. Aber wie schaffen Sie es, die Kund*innen wieder anzulocken und zum Einkaufen zu  bewegen? Erleben wir die Neuerfindung des stationären Einzelhandels?

Sicherheits- und Hygienemaßnahmen umsetzen

Zunächst einmal braucht jeder Einzelhändler Maßnahmen, um Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Hygiene auszuräumen, die so schnell nicht verschwinden werden. Das heißt, sichere physische Distanz zu ermöglichen, Oberflächen und Produkte zu desinfizieren und proaktiv, klar und einfühlsam zu kommunizieren. Die Einzelhändler werden ein empfindliches Gleichgewicht zwischen der Ermöglichung der sozialen Interaktionen, die die Käufer als wertvoll empfinden, und der Reaktion auf erhöhte Bedenken hinsichtlich der persönlichen Gesundheit finden müssen. Die weitverbreitete Einführung mobiler Technologien für kontaktloses Bezahlen und schnelle Navigation im Geschäft wird dazu beitragen, ein hygienischeres und bequemeres Einkaufserlebnis zu schaffen.

Einführung und Nutzung der richtigen Instore-Technologie

An zweiter Stelle steht die Einführung der richtigen Technologie, um die Geschäfte attraktiver zu gestalten. Und darüber hinaus ein entsprechendes Einkaufserlebnis zu bieten. Dies könnte bedeuten, dass den Verkäufern digitale Geräte und Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden, damit sie Kund*innen besser helfen können, das zu finden, was sie brauchen. Darüber hinaus können sie den Kund*innen Produktempfehlungen für das nächste zu kaufende Produkt anbieten und Mobiltelefone und mobile Apps zu einem nützlichen Teil des Einkaufserlebnisses werden. Dazu haben wir detailliert im Beitrag “Einkaufen über die App” berichtet.

Personalisierung ist mehr als denn je gefragt

Solche Technologie bieten nicht nur ein Kundenerlebnis der nächsten Stufe, sondern sie geben den Händlern darüber hinaus den Zugang zu wertvollen Daten. Diese können in Personalisierungsalgorithmen einfließen oder zur Optimierung von Preisen und Werbeaktionen genutzt werden.

Doch der Einzelhandel der Zukunft kann nicht bis morgen warten. Einzelhändler sollten sich überlegen, ob sie nicht schon jetzt damit beginnen sollten, das Kundenerlebnis neu zu erfinden.