Das Käuferverhalten im stationären Handel ändert sich dauernd. Aktuell steht der Online-Handel im Fokus. Dessen Erfolg ändert auch die Kundenerwartungen. Die Corona-Krise hat die Entwicklung im vergangenen Jahr noch einmal beschleunigt. Kunden informieren sich vorab online und suchen nach sofortiger Verfügbarkeit oder besonderen Lieferoptionen. Sie möchten eventuell auch mit und im stationären Geschäft digital interagieren oder im Nachgang über eine App mit dem lokalen Geschäft im Austausch bleiben. Der Handel hat darauf reagiert und digitalisiert mit innovativen Digitalisierungsideen für die Krise.

Trotz Umsatzeinbruch – Rekordplus für Einzelhandel

Vor dem Hintergrund der vermehrten Shutdowns in der Corona-Krise sagen die Handelsverbände mehre Milliarden Euro Umsatzverluste voraus. Zusätzlich rechnen sie mit einem Sterben von zahlreichen Mode-, Schuh- und Lederwarengeschäften. Allerdings sieht die Bilanz nicht so düster aus. Durch die Branche geht ein Riss. Denn nach Schätzung des Statistischen Bundesamts legte der Handel ein Umsatzplus von ca. 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hin. Die Ursachen liegen im wachsenden Onlinehandel, der auf 31,8 Prozent im vergangenen Jahr kletterte. »Die herben Verluste vieler Innenstadthändler werden durch gute Geschäfte in den Bereichen Online, Lebensmittel und Möbel ausgeglichen«, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE. Gleichwohl müssen die Textilanbieter mit einem Minderumsatz von über 20 Prozent zurechtkommen.

Innovative Digitalisierungsideen für die Krise

Stationäre Händler aus der Möbel- und Bekleidungsbranche, Sportartikelgeschäfte, Baumärkte und andere haben im letzten Jahr verstärkt in die Digitalisierung investiert. Davon können sie noch Jahre profitieren. Innovative Ideen ermöglichen es  ihnen, ihren Weg zu den Kund*innen zu finden, auch wenn die Geschäfte geschlossen sind. Neue Geschäftsmodelle, digitale Initiativen und auch die konsequente Kombination von On- und Offline-Handel sind einige Beispiele. Mit welchen Strategien versuchen Einzelhändler die Krise überwinden? Was sind die Digitalisierungsideen für die Krise?

On- und Offline-Handel kombinieren

Eine Lösung liegt mehr denn je in der Verzahnung von Online- und Offline. Das ist zwar keine Neuigkeit, allerdings gingen viele Einzelhändler das in der Vergangenheit nur halbherzig an. Heraus kam ein nicht sichtbarer und auffindbarer Webshop und eine nicht ausreichende Logistik. In der Corona-Krise werden viele stationäre Einkäufer*innen jedoch zu Online-Einkäufer*innen. Sie möchten weiterhin bei ihren Fachgeschäften einkaufen, nur online. Daher stehen diese Einzelhändler in der Krise gut da, die schon seit Jahren beide Kanäle zusammen entwickelten. Die Grenze zwischen stationärem und digitalem Geschäft verschwindet immer mehr.

Umsatzsprünge bei den Webshops

Die Bestellvorgänge in den Onlineshops sind seit der Corona-Krise drastisch angestiegen. Und das trotz zunehmendem Bewusstsein in Richtung Nachhaltigkeit. Bei der Baumarktkette Hornbach hat der Onlineumsatz von März bis Mai um ca. 80 Prozent zugelegt. Dabei hat Hornbach im Shop ca. 200.000 Artikel, dreimal mehr als in den stationären Baumärkten. Eine ähnliche Situation zeigt sich bei Obi. Der Onlineshop bietet dreimal so viele Artikel an wie der stationäre Shop. Der Umsatz stieg Online um das vier- bis fünffache an. Bei Ikea wuchs der Onlineumsatz auf knapp 75 Prozent.

Digitalisierungsideen für die Krise – Verkaufen über einen Marktplatz

Auch wenn viele kleine Einzelhändler sich schwertun einen eigenen Online-Shop zu entwickeln und die Investition und den Aufwand scheuen, gibt es andere Möglichkeiten Online präsent zu sein. Zum Beispiel lassen sich die eigenen Produkte und Waren über die großen Verkaufsplattformen wie Amazon, Ebay und andere anbieten. Allerdings gibt es sehr viel mehr Möglichkeiten im Internet einzukaufen als nur auf den weltweit größten Onlinemarktplätzen. Auch kleinere Verkaufsadressen bieten inzwischen eine große Bandbreite an Produkten oder Dienstleistungen an. Ein Bereich, der zukünftig wohl noch stärker wachsen wird, ist der von Verkaufsplattformen für Nischenprodukte. Denn eine steigende Zahl von Kund*innen nutzt die Suchmaschinen, um nach Waren zu suchen, die es eben noch nicht bei Amazon, eBay oder Alibaba gibt.

Trotzdem ein Beispiel von Amazon: Das Unternehmen Moya entwirft und vertreibt Dekorationsprodukte und Möbelstücke aus sibirischer Birkenrinde. Normalerweise werden die Produkte über Einrichtungsgeschäfte und Kaufhäuser wie Manufactum vertrieben. Der Lockdown im stationären Handel brachte die Idee die Produkte auch auf Amazon anzubieten. So entstand dort ein eigener, sehr erfolgreichere Shop.

Digitalisierungsideen für die Krise: Moya auf Amazon<<<

Digitalisierungsideen für die Krise: Moya auf Amazon (Quelle: Amazon)

Geschäfte werden zu dezentralen Versandzentren

Weiterhin funktionieren viele Einzelhändler ihre geschlossenen Stores zu Versand- und Abholzentren um. Beim Sportartikelhändler Intersport erhält der Händler die Bestellung aus dem Onlineshop, der die Ware verfügbar hat und sich in der Nähe der Kund*innen befindet. Dort wird dann die Ware kommissioniert, verpackt und an die Kund*innen versendet. Damit erhalten die Händlerunternehmen von Intersport einen digitalen Vertriebskanal, ohne einen Onlineshop selbst zu betreiben.

Click & Collect – Geschäfte werden zu lokalen Abholzentren

Darüber hinaus werden mittlerweile Click & Reserve sowie Click & Collect von vielen Händlern angeboten. Das bietet den Einzelhändlern die Chance, Kund*innen in das lokale Geschäft zu holen. Allerdings müssen sie vor Ort zusätzliche Prozesse etablieren und Waren reservieren und auszugeben. Doch nicht nur kleine Einzelhändler haben in der Corona-Krise diese neuen Wege zu den Kund*innen gesucht. Für die Möbelhäuser wie Ikea avancierte Click & Collect zum wichtigsten Verkaufskanal. Kund*innen bestellen die Möbel und Accessoires, bezahlen mit der Kredit- oder Bankkarte, wählen das nächste Möbelhaus aus und holen die Produkte in einem zugeteilten Zeitfenster ab. Innerhalb der Geschäfte laufen Verkäufer*innen mit Einkaufswagen durch die Gänge und “kommissionieren” die Aufträge der Kund*innen.

Window-Shopping – das Schaufenster als Verkaufsplattform

Der Begriff Window-Shopping oder Schaufensterbummel bezeichnet das bewusste, jedoch ohne Kaufplanung vorgenommene Aufsuchen von Einzelhandelsgeschäften oder das bloße Flanieren durch Einkaufsstraßen. Über das Schaufenster als Aushängeschild des stationären Geschäftes lassen sich Impuls- und während des Lockdowns auch andere Käufe erzeugen.

Window-Shopping beim Herren-Modegeschäft

Window-Shopping im Textilhandel

Dazu sind die Waren physisch im Schaufenster zu platzieren oder digital anzuzeigen. Und entsprechende Bestellfunktionen über Facebook, Instagram oder den Onlineshop bereitzustellen. Auch telefonische Bestellungen sollten möglich sein.

Window-Shopping

Digitalisierungsideen für die Krise: Window-Shopping bei Madame Albertine in Düsseldorf (Quelle: Facebook Madame Albertine)

Über Bewegtbilder verkaufen – Video-Shopping

Weiterhin entwickeln sich Video-Shopping-Anwendungen zu einem der zentralen Erfolgsfaktoren im Online-Handel. Und nicht nur dort. Denn Verkaufen über Videos lässt sich auch in den sozialen Netzwerken einsetzen. Früher wurden die Kund*innen im stationären Geschäft persönlich beraten. Heute im Lockdown der Corona-Krise bieten Videos hierzu eine Alternative. Darüber können die Einzelhändler verkaufsfördernde Inhalte einfach konzipieren und kostengünstig umsetzen.

Die Boutique “Wunderwerk” aus Oldenburg macht das vor. Um die Winterware noch zu verkaufen, stellte die Inhaberin der Boutique persönliche Videobotschaften für die Kund*innen zusammen. Sie zeigt dort die Regale, Ständer und Verkaufszonen mit der reduzierten Winterware in ihren Videos. Mit diesen bespielt die Boutique “Wunderwerk” Facebook und Instagram mit Videobotschaften und Verkaufswerbung. GERRY WEBER zeigt diese Videos auf seiner Webseite. Unter dem Motto “Wenn Sie nicht in die Läden kommen können, kommen wir per Video zu Ihnen nach Hause! Bei unserem interaktiven Shopping-Erlebnis stellt Ihnen “Kleiderschrank-Coach“ & Styleberaterin Carola Nahnsen exklusiv die aktuellen Kollektionen von GERRY WEBER und TAIFUN vor.”

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Beratung der Kund*innen – Messenger-Dienste

Ein Großteil von Produkten und Waren im Facheinzelhandel, wie zum Beispiel Küchenutensilien, Spielzeit, Geschirr sind nicht einfach zu verkaufen. Hier kommen interaktive Messenger-Dienste wie WhatsApp zum Einsatz. Sehr erfolgreich setzt das Osnabrücker Kaufhaus Schäffer um. Im Herzen Osnabrücks präsentiert der Händler auf vier Etagen in einem ansprechenden Ambiente Schönes und Nützliches aus den Bereichen Tisch und Tafel, Porzellan und Glas, Lifestyle und Spielwaren. Seit dem Lockdown können die Kund*innen über den Onlineshop bestellen.

Im individuellen Videochat können Verkäufer ihren Kund*innen zudem eine individuelle Verkaufsberatung zukommen lassen. Dazu stehen in den Abteilungen Porzellan, Haushalt und Spielwaren WhatsApp-Nummern zur Verfügung. Und die Bestellung kann ebenso über den Kommunikationsdienst abgewickelt werden. Anschließend können die Käufer*innen ihre Einkäufe vor Ort im Geschäft am Servicepoint abholen oder sogar nach Hause liefern lassen.

Einkaufsspaß beim Livestream-Shopping

Verkaufen und Einkaufen über Livestream kommt immer mehr in Mode. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, in der die Menschen nicht mehr oder nur eingeschränkt stationär einkaufen können, erlebt der Online-Einkauf über Livestream einen rasanten Aufschwung. Gerade in China und Asien boomt Livestream-Shopping gerade. Livestream-Shopping ist im Grunde genommen Shopping-TV im Internet und kann über den Online-Shop oder auch soziale Medien angeboten werden. Eine spezielle TV-Show ansehen, in der verschiedene Produkte und Artikel beworben und erklärt werden und diese dann über das Web oder per Telefon einkaufen. Aber anders als beim Verkaufsfernsehen findet beim Livestream Einkaufen eine direkte Interaktion zwischen Verkäufer*innen und Kund*innen statt. Und zusätzlich kann direkt und reibungslos ohne Medienbruch gekauft und bezahlt werden. Das Thema Livestream-Shopping wurde bereits in anderen Beiträgen umfassend behandelt: “Zukunft des E-Commerce – Livestream-Shopping“. “Digitalisierung im Handel in China” und “Livestream Einkaufen – Trend mit Zukunft?

Einige Einzelhändler, die neue Verkaufskanäle ausprobieren, setzen auf Livestream-Shopping. So zum Beispiel die Boutique “Fräulein – Mode und Wohnen” mit Filialen in Meerbusch, Ratingen und Kempen. Gerade in den Lockdown-Zeiten nutzt die Boutique Livestream-Shopping, um Blusen, Hosen oder Mäntel zu verkaufen. Die Kund*innen können im Chat Fragen zu den Waren stellen. Und am besten schon während der Vorführung im Webshop zuschlagen.

Auch Fashion-Händler wie Orsay testen Livestream-Shopping als Vertriebskanal. Beim Livestream-Event begrüßt die Fashion-Influencerin Nele Wüstenberg die Zuschauer zum Shopping-Event in der Hamburger Filiale. Anschließend stellt sie den Kund*innen anhand von Models die einzelnen Kleidungsstücke im Detail vor. Die allerdings sind nicht mit ihr im stationären Geschäft, sondern verfolgen die Präsentation als Live-Video – direkt auf der Orsay-Homepage oder in sozialen Netzwerken.

Livestream-Shopping bei Orsay

Digitalisierungsideen für die Krise: Livestream-Shopping bei Orsay (Quelle: Orsay)

Digitalisierungsideen für die Krise – Einkaufen, Beratung und bessere Kundenbindung

Die Digitalisierungsideen für die Krise sind recht vielfältig. Worauf zielen sie ab?

  • Zum einen fördern sie die digitale Sichtbarkeit des stationären Einzelhändlers
  • Zum anderen stellen sie die Omnichannel-Möglichkeiten mit Click&Collect, Click&Reserve und Instore Return sicher
  • Und natürlich, es geht um die bessere digitale Kundenbindung
  • Zu guter Letzt zeigen die Beispiele wie die digitale Kundenerfahrung gesteigert werden kann. Hierbei geht es um Produktinformationen, Einkaufserlebnis und Einkaufsunterhaltung, Beratung und weitere Services